Bei der Gartenarbeit musste ich vorhin über die
Höhepunkte all der Jahre im Motorsport nachdenken. Es gibt sicher
erfolgreichere Fahrer, dennoch bin ich zufrieden. Der Biss ist
schließlich nach wie vor da. Ganz spontan, das ist besonders haften
geblieben:
Der erste Start bei der Rallye Lohne 1986 war eher
grausam. Jung-Michael war eher schüchtern und stand sich meist
verkrampft selbst im Weg. Dennoch wurde der erst drei Wochen vor
dem Start erworbene Polo gnadenlos einem Härtetest über teils
üble Schotterwege unterzogen. Natürlich hielt der Wagen die erste
Veranstaltung nicht durch. Ganz ehrlich: Ich fuhr auch sehr schlecht.
Im Anschluss durfte ich den Wagen erst mal richtig durchreparieren.
Vorm ersten Slalom 1987 auf dem Stoppelmarktgelände
hatte ich auch richtig Muffe. Sooo viele Zuschauer, die mich alle
anstarrten. Ohne jede Ahnung von Rennreifen und guten Fahrwerken
bin ich aber wie von der Tarantel gestochen über den eckigen Parcours
gedüst. So nach dem Motto "Nur Luschen bremsen." Als hinterher
mehrere Zuschauer auf mich zukamen und meinten, dass meine Karre
zwar übel sei, ich aber wie ein Gestörter fahren würde, war ich
mehr als zufrieden.
Ein paar Wochen vorher hatte ich bei der Rallye
Pinnau-Krückau rund um Pinneberg im hohen Norden ein weiteres
Erfolgserlebnis solcher Art gehabt. Dort sprang mein Zivi-Kollege
Michael als Beifahrer ein. Mit einem von einer Kollegin geliehenen
Helm, die dann mal für einen Tag nicht mit dem Roller fahren konnte.
Wir sind dann mit dem Polo die Autobahn hoch gen
Norden. Dort warteten teilweise verschneite und vereiste Prüfungen
auf uns. Die erste WP lief richtig gut. Ich fand sofort einen
guten Rhythmus und war trotz allem Biss ziemlich ruhig am Lenkrad.
Im Ziel der Prüfung lagen wir etwa in der Mitte des Gesamtklassements.
Wohlgemerkt, mit einem 40 PS-Polo. Mein Co meinte, ihm sei nun
total schlecht und er hätte die Hose gestrichen voll. Er - totaler
Motorsport-Neuling - meinte, er hätte nicht gedacht, dass man
so schnell über pures Eis fahren könnte. Wir sind da teilweise
mit 120 km/h drüber. Auf engen Feldwegen, mit Bäumen und Gräben
gleich daneben. Ich hatte das damals aber im Griff, die mühsam
zusammen gesparten Reifen waren recht gut. Im strengen Winter
hatte ich zudem wochenlang jeden Abend auf Schnee geübt.
Zuhause habe ich noch ein Video von der Rallye, ist schon geil.
Zeit verloren haben wir lediglich auf den wenigen trockenen Power-Abschnitten.
Es war dann auch schon die einzige WP, zu der wir
einen Aufschrieb hatten. Das wurde uns in WP2 zum Verhängnis.
Auf blanken Eis rutschten wir nach einer schnellen Kuppe frontal
gegen eine Böschung. Der Aufprall war hart, ich dachte, mir fliegt
der Kopf weg. Ich hab dann gleich Michael gefragt, ob er ok wäre.
"Jau, bestens." Etwa 20 Zuschauer hievten den weit unter 700 Kilogramm
leichten Polo samt Insassen wieder auf die Strecke und feuerten
uns an. Nach dem Ziel der Prüfung stiegen wir beide aus und schauten
uns das noch fahrbare Wrack genau an. Der Rahmen war verzogen,
die Türen gingen nicht mehr zu, die Scheinwerfer leuchteten den
Mond an. Aber wir beschlossen, dass das alles gar nicht so schlimm
sei.
Als dann zwei Zuschauer heran gelaufen kamen und
meinten, wir dürften auf gar keinen Fall mit dem Sport aufhören,
wir wären die einzigen, die richtig Rallye fahren würden, hatte
ich den Schaden am Auto gedanklich schon wieder fast abgehakt.
Trotzdem gaben wir auf und fuhren bei eisigen Minustemperaturen
mit geöffneten Türen nach Hause. Brrr ... Als ich am
folgenden Sonntag bei minus 10 Grad mit steifem Nacken in der
Garage den Polo notdürftig wieder für die Fahrt zur Arbeit gerade
bog, machte sich meine Mutter allergrößte Sorgen. Ich glaube,
in der Zeit hat sie eine Menge Kerzen in der Kirche angezündet.
Aber ich konnte halt nicht anders, ich hatte so viel Fahrspaß
und wollte mich unbedingt mit anderen messen.
Es gab eine kurze Rallyepause wegen gähnender Leere
im Portemonnaie. Ich besuchte gerade die Fachoberschule. Für den
Schulbesuch reichte das mit Ferienjobs angesparte Geld, für Rallyes
war aber nichts vorhanden. 1989 gab es dann die Möglichkeit, an
einer Ford-Nachwuchssichtung im hessischen Gründautal teilzunehmen.
Der Gewinner sollte einen Werksvertrag bekommen. "Da muss ich
hin". Zuhause schüttelten sie zwar den Kopf, aber egal. Also erst
mal aus Köln so´n Testbogen besorgt, um anschließend unter
Tausenden Bewerbern zu denen zu gehören, die unter Aufsicht
des Ford-Werkteams in England einen richtig gut aufgebauten Fiesta
auf Zeit bewegen durften.
Ich bin dann tags vorher alleine dort hingefahren,
hab in einer Pension für - ich meine - 35 DM übernachtet und kam
morgens pünktlich zum Event an. Dort gab es erst mal eine Einweisung
auf englisch. Ich hab zwar kaum etwas verstanden, mein Englisch
war damals eher bescheiden, aber ich bekam nach der Auslosung
der Startnummern dann doch mit, dass ich als erster auf die Strecke
durfte. "Na super …" Es kam, was kommen musste. Ich verfuhr mich
und war damit mehr oder weniger aus dem Rennen! So etwa fünf Minuten
habe ich mit meinem Schicksal gehadert, dann ging es zum nächsten
Wettbewerb. Man fuhr dort auf einem Fiesta mit Allradlenkung.
Der Clou: Der Beifahrer - ein Brite - konnte während der Fahrt
die Hinterräder bewegen. Er brachte das Heck ständig zum Ausbrechen,
der Fahrer sollte die Fuhre dann wieder auffangen und gleichzeitig
eine schnelle Zeit fahren. Ich war dann bester unter knapp 100
Teilnehmern. Der Engländer neben mir meinte nach der Zieldurchfahrt
mit einem Schulterklopfer und erstaunten Augen: "Very very good!"
So war es für mich trotzdem ein voller Erfolg. Ich wollte ja nur
wissen, ob ich es drauf hab.
Später habe ich dann in der Auto Bild gelesen,
daß an diesem Fiesta auch der Bremskreislauf stillgelegt
wurde. Man wollte testen, wie man mit ausbrechendem Heck und versagenden
Bremsen reagiert. Ich hab´s ehrlich nicht gemerkt, da ich
während meiner Fahrt nie gebremst hatte. (GRINS)
Das sind solche Geschichten, die mich immer wieder
motivieren, Hunderte Stunden in der Garage zu verbringen und ein
Auto für den Sport vorzubereiten. Zwar bin ich mittlerweile recht
ruhig geworden, wenn es zu einer Veranstaltung geht. In der Regel
bin ich nicht aufgeregt. Trotzdem ist es immer wieder etwas Besonderes,
am Start zu einer Rallye oder einem Slalom zu stehen. Meist geht
irgendetwas schief, ganz selten rege ich mich darüber aber noch
auf. Ich denke, man sollte das tun, wozu man Lust hat. Und dabei
nach Möglichkeit immer cool bleiben und den Tag geniessen. Man
kann Motorsport auch entspannt betreiben. Was natürlich relativ
ist. Bei meinem letzten Start bei der Rallye Stemweder Berg 2010
hatten wir nach einer Kuppe einen Dreher auf engstem Weg bei etwa
120 - 130 km/h. Zum Glück haben wir nichts getroffen. Später kam
ein Bekannter (ein Motorjournalist) zu mir und meinte, wir wären
die einzigen, die versucht hätten, die Kuppe mit Vollgas zu nehmen.
Etwas Netteres hätte er nicht sagen können. Klar ein Zeichen,
dass man auf dem richtigen Weg ist... . Ganz ehrlich: Im Auto
kommen mir solche Sachen immer ziemlich langsam und undramatisch
vor. Wenn man ruhig bleibt, verliert man nie den Überblick,
man kann dann noch sehr viel machen. Was mich ebenfalls an diesem
Sport sehr fasziniert. Diese alte Rallye-Weisheit stimmt übrigens:
"Wenn man zu schnell ist, erkennt man es an den Zuschauern.
Die rennen dann weg." Ich hab´s selbst gesehen ... .
Richtig viel Geld habe ich in all den Jahren nicht
in den Motorsport gesteckt. Die Autos habe ich meist gewinnbringend
verkaufen oder zum Anschaffungspreis veräußern können. Wenn ich
Teile nicht mehr benötige, gebe ich sie weg. Vor Unfällen blieb
ich weitestgehend verschont. Im normalen Strassenverkehr hatte
ich noch nie einen Unfall, im Rallyesport gab es neben dem Nasenstüber
1987 einen (sanften) Überschlag im BMW sowie einen Wildunfall,
der mir heute noch leid tut. Ansonsten gab es nur harmlose Dreher,
wenn auch teilweise bei ziemlich irren Geschwindigkeiten. Einen
Totalschaden gab es nie, bis jetzt konnte ich noch alles selbst
gerade biegen.
Meine diversen Autos sind im Laufe der Jahre immer
schneller, aber auch um ein Vielfaches sicherer geworden. Von
der völlig serienmäßigen Kutsche von einst bis zum aktuellen Fiesta
ST ist es ein Riesensprung. Die Karosse ist nun verstärkt, etliche
Meter Stahlrohr bilden eine stabile Zelle. Die Recaro-Sitze sind
topp, die Gurte sind sicher nicht schlechter als in der Formel
1. Neben einem Feuerlöscher ist eine Feuerlöschanlage verbaut.
Sollte es bei einem Unfall mal brennen, kann man per Knopfdruck
das Feuer im Fahrgast- und Motorraum bekämpfen. Die Bremsen sind
viel besser geworden, mit den guten Rallyereifen kann man die
Bremswege deutlich verkürzen. Im Wettbewerb trägt man unterm feuerfesten
Overall feuerfeste Unterwäsche, auch der Helm ist flammabweisend.
Zu Beginn bin ich noch mit T-Shirt und Jeans gefahren. Im Auto
ist es allerdings mittlerweile derart laut, dass man sich nur
noch mit Mikrofon und Kopfhörer verständigen kann.
Ich freue mich immer sehr, wenn ich nach einer Veranstaltung
ein paar Actionbilder zugeschickt bekomme. Ein Rad in der Luft,
ein kleiner Drift, der konzentrierte Blick des Fahrers, das schöne
Finish des Autos. Ah, da geht mir das Herz auf. In der Beziehung
bin ich einfach nicht älter geworden. Gut so, so soll es bleiben.
Jungs spielen halt gerne mit Autos... .
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